GRUPO CONEXÃO CULTURAL

Regina Gramse, Kunsthistorikerin

Afrika und Europa haben seit der klassischen Moderne eine gemeinsame künstlerische Vergangenheit. In den von Álvaro Macieira (Angola) und Horst Poppe (Deutschland) gemeinsam gemalten Bildern erfährt diese Tradition eine zeitgemäße Wendung: ihre Bilder führen, im Gegensatz zu der ehemals einseitigen Aneignung der afrikanischen Kunst durch die europäische Avantgarde, einen wirklichen interkulturellen Dialog, der komplexer ist, als es auf den ersten Blick scheint.
Macieira und Poppe arbeiten nebeneinander, beginnen mit einem inhaltlichen und farblichen Motiv, das einer vorschlägt und das sie dann gemeinsam entfalten. Dabei können sie sich ergänzen, widersprechen oder humorig kommentieren - eben wie in einem Gespräch. Abschließend werden die im Format identischen Leinwände zu einem Diptychon vereint. Ihre jüngste malerische Begegnung thematisiert alltägliche Erzählungen und - wie es scheint - afrikanische Mythen: Ursprungsmythen, Liebesgeschichten, Machtkämpfe, die von dem Respekt vor dem Leben, vor der Natur und von menschlichen Stärken und Schwächen handeln, Stoffe wie in der antiken Mythologie, die ewig und universal gültig bleiben, insbesondere als künstlerische Sujets. Macieira und Poppe illustrieren jedoch nicht alte Überlieferungen, sie kreieren sie vielmehr selbst: die "mythischen" Geschichten gehen aus ihrem malerischen Dialog hervor.
"Kumokina" zum Beispiel erzählt von dem Fisch, der in seiner Gier nach Omnipotenz seine Identität verliert und von dem Strauß, der ihm nacheifert und verkündet: "Er wolle herrschen und den Mond und die Sterne in einem einzigen Sprung erreichen können" - während er gleichzeitig mehr Dialog zwischen den irdischen Wesen fordert - wer denkt da nicht an gescheiterte Klimakonferenzen?
Bei den hybriden Gestalten dieser Geschichte, in denen jeweils Mensch, Fisch und Vogel sich vermischen und Macieira den Strauß, Poppe den Fisch wählte, machen sowohl korrespondierende Formen der Figuren und Hauptlinien der Komposition, als auch Details wie die Zickzacklinien und die "Punktfedern", die beiden Tafeln zu einem geschlossenen Ganzen, in dessen Mitte Fisch und Vogel sich mit offenem Maul und Schnabel beredt und spannungsvoll begegnen.
Die Darstellungsweise erinnert gleichermaßen an afrikanische Volkskunst, an Kinderzeichnungen, Comics und andere sogen. Primitivismen, wie auch an deren Adaption durch Picasso, Klee und andere. Aus diesen Anregungen entwickelten Macieira und Poppe eine je eigene und doch auch gemeinsame, unverwechselbare Bildsprache: archaisch-abstrakt und expressiv, humorvoll, ironisch, äußerst lebendig und nur scheinbar eindeutig. In seinen individuellen Arbeiten malt Poppe weitgehend abstrakt und farbbetont. In der Zusammenarbeit mit Macieira lässt er sich mehr auf eine zeichnerische, lineare Darstellungsweise ein, die der vorwiegend plastischen und daher formbetonten afrikanischen Bildtradition entspricht. Eine besondere Farbkultur, die mit der Autonomie der Farbe endete, war ein europäisches Thema. Darin orientiert Macieira sich an Europa, wo er die Formensprache der klassischen Moderne zu einer neuen Begegnung mit Afrika abholte. Insgesamt haben beide, Macieira und Poppe, die gleiche reflektierte Distanz zur Stammeskunst und leisten in ihren gemeinsam gemalten Bildern eine ähnliche, kreative Verarbeitung der europäischen Tradition. Ihr afrikanisch-europäischer Dialog ist somit sehr vielschichtig, ebenso reflektiert wie spontan und - was ein Vergleich der Phasen ihrer sich schon seit vielen Jahren entwickelnden Zusammenarbeit belegt - ständig im Fluss.